Die Filser-Briefe

Ludwig Thoma (1867-1921) – seine Erzählungen oder Einakter sind brilliant gewürzt mit Humor und Satire. Der in Oberammergau geborene Schriftsteller wurde vor allem durch seine satirschen Schilderungen des bayerischen Alltags während der sogenannten "Prinzregentenzeit" – Luitpold von Bayern regierte von 1886 bis 1912 – bekannt. Seine Lausbubengeschichten sind legendär und spiegeln wohl einen Teil seiner Jugend wieder.

Zu den bekanntesten Werken des bayerischen Volksschriftstellers Ludwig Thoma zählen die „Filser-Briefe“, in denen der königlich-bayerische Landtagsabgeordnete Josef Filser die Verhältnisse seiner Zeit satirisch aufs Korn nimmt. Als Landwirt („Oegonohm“) macht er dies auf bayrisch-derbe Art und in einem eigenwilligen Schriftdeutsch. Mitunter tauchen Nachfahren Filsers auf. Dem Wandel der Zeiten entsprechend gehört auch ein Liberaler dazu, der sich jüngst in einem Brief an seinen Freund Korbinian Feistlbauer zu aktuellen Tegernseer Ereignissen äußerte.

An hern Gorbinian Feistlbauer,
Oegonohm in Mingharting

Bosd daselbsLiwer Schpezi, wir Lieberahlen hawen in dissem unserem Lande, wie inser Kantzler sagd, vill zu leiden. Am meisden, seid wir nicht mer im bayerischen Barlamänt midregiren derfen. Seiddem miessen wir einer ferninvtigen Arweid nachgähen, um inseren Lewensunderhald zu verdeanen. Aber wir haben imer noch ein bolidisches Auge auf inser Land. Ich werfe das Meinige am lübsten von der Tuften aus, wo unser Ludwigg Thoma geläbt had, über das scheene Tegernseer Thal und die romandische Statt, wo ich im Gloster imer noch meinen Lewerkaas zu mir nähme.

Neiling hawe ich wider eimal nach dem rechden geschaugd und mit den Leudden im Ord dischkrierd. Nach der zweiden Mass hawe ich schröckliches gehörd.

Liwer Schpezi, Du wirsd es nicht glauwen: Eine Segde sol sich in inserem scheenen Tegernsee breid machen und die Statt underwandern. Sie hawen schon einen Laden aufgemachd, wo eine Berson weiblichn Geschlächds Paradeiser (=Tomaten) und Gemiese ferkauffd. Inser brodesdantischer Bfarer, wo aus kadollischer Siechd selwer einer Segde angehert, had sich furchdbarr erregd. Ich hawe meine Ferandwordung als lieberahler Abgeordneder a.D. wargenomen und dem Man erglärd, das es nach inserner Verfasung gar keine Segden nichd gibd und das jeder klauben kan wass er mag. Awer der ludderische Bfarer klaubd, das jeder nur klauben derf, was man nach seiner Rähligion klauben mus, obwol ich klaube, das er gar nichd mer glaubd, was er auf seiner Kantsel bredigd, wo keiner mer zuhert. Ich hawe dem Man gesagd, was schon mein Forfahr, der Josef Filser senior, Goth hab in sehlig, gesagd had: Es giebt ferschidene Rähligionen, wo mahn aber plos lachen muhs, indem es keine Rähligionen nichd sind, sondern käzerisch, zum beischpiel die ludderische.

Neiling war ich wieda beim Glosterwird, um die bolidische Endwigglung in meinem scheenen Tegernsee zu beowachden. Liber Gorbini, Du wirsd es nichd klauben, was jedzd bassird isd. Inser ludderischer Bfarer had seinen ludderischen Schpezi gehold, der einen Beruf had, wo es nach inserner Verfasung gar nicht gäwen derf. Er isd ein Segdenbeaufdragder und heisd Benk oder so änlich. Wie Du schon an seinem Namen mergsd, isd es ein Breiß. Und so had er sich auch aufgefürd. Er had Zwidracht im Tegernseer Thal gesähd, der Saubreiß. Er had einen Fordrag gehalden und die Rähligion der Berson, die wo das Gemiese und die Paradeiser ferkauffd, als auserordentlich geferrlich ausgemald. Jäz held die Hälfde der Tegernseer auch die Paradeiser für geferrlich, wo die Frau ferkauffd, und die andere Hälfde firchted sich Sündn, weil sie weider bei der Berson einkauffd weilz inen schmeggd.

Inser Birgermeister hat sich zurüggehalden und der Bfarer had sich beschwärt, das von der bolidischen Gemeinde nimand zu dem Fordrag hingegangen isd und der Segdenmensch seine freche Goschen for leren Benken had spazirren fürren müsen. Jeder had gemergd, das der Man dafür bezald wirrd, das er üwer anderne schimbft. Das Universelle Leben, so heisd die Rähligion der Gemiesefrau (ich hawe es mir exdra aufgeschriwen), sol geferrlich sein, had er ferzäld. Das ich nichd laache. Isd nichd auch unser scheenes Tegernsee ein Trum von dem Unifersum, das unser Hergoth geschafen had und das dise Mentschen moinen, wen sie fom unifersällen Läben schbrechen.

Ich sage Dir, liwer Gorbini, nichds isd geferrlicher wie ein fanadischer Bfarer ludderischen Klaubens und breißischer Abgunft. Dise hundsheidernen Lumben reden furchdbar gebuided daher und lühgen dir das Plaue fom Himel herabi.

Das hawe ich auch meinen Schdammdischschpezln beim Glosterwird gesagd, und hawe mich nach der driten Mass manhaffd erhowen und mir einen frischen Radi bei der unifersällen Berson gekauffd. Es war ein Genus ohne Reuhe.

Es grießt dich

Dein liber Freind
Jozef Filser jr. keniglicher Abgeorneter im Ruheschdand

Bostskriebtum
Wir Lieberahlen hawen ins ser gefreid, das das Minischteri für Kuldus, Gunst und Wiessenschafd dem ludderischen Breißen schon widerholde Mahle sein gothesläsderliches Mäu zurechdgehoweld had. Der Zehetmair isd ein kadollischer Mentsch, awer denoch ein aufrächder Demograd.